Jüdische Gemeinde Tauberrettersheim

1933 zählte die bereits überalterte jüdische Gemeinde in Tauberrettersheim noch gut 10 Personen, von denen sich jedoch nur neun namentlich nachweisen lassen. Die Quellenlage ist dürftig. Die Wurzeln der jüdischen Gemeinde reichen bis etwa 1700 zurück, als ein Adelsherr die Ansiedlung von Juden in seinem Freihof gestattete. Es entstand schon bald eine Gemeinde, deren Mitglieder sich mit Stoff- und Warenhandel ernährten. Im Jahr 1800 lebten 13 jüdische Familien mit rund 60 Personen im Freihof, der nun „Judenhof“ genannt wurde. Die gleiche Anzahl wurde 1817 in die Matrikelliste aufgenommen. 1842 erreichte die Gemeinde mit 72 Mitgliedern ihre maximale Größe. Im Obergeschoss eines der Häuser im Judenhof nutzte sie für ihre Gottesdienste einen Gebetsraum. An gleicher Stelle errichtete die wenig wohlhabende Gemeinde 1851 einen Synagogen-Neubau. Doch die Anzahl ihrer Mitglieder nahm bereits kontinuierlich wieder ab, sodass im Jahr 1925 nur noch 21 Jüdinnen und Juden im Ort lebten. 1935 wurden die Gottesdienste eingestellt und die Synagoge aufgegeben.

Systematische Entrechtung, wirtschaftliche Boykotte und der wachsende Verfolgungsdruck veranlassten einen Teil der jüdischen Bevölkerung ab 1933 zur Abwanderung aus Tauberrettersheim. Von den namentlich bekannten Gemeindemitgliedern gelang jedoch nur einer Frau die Emigration ins rettende Ausland. Schon im Herbst 1933 zog ein Geschwisterpaar vorübergehend zu einer Schwester nach Frankfurt – und kehrte nach einem kurzen Aufenthalt in Tauberrettersheim 1935/36 endgültig dorthin zurück. 1934 sollen drei Personen verzogen sein, ihre Namen sind jedoch nicht bekannt und ihr Schicksal lässt sich nicht ermitteln. Ein Mann starb 1935 und wurde in Weikersheim auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. Und 1938 verließ eine ledige Frau den Ort, die im Februar 1939 dann in die Sammelunterkunft in der Bibrastraße 6 in Würzburg floh.

Beim Novemberpogrom 1938 drangen auswärtige SS- und SA-Leute in drei jüdische Häuser im Ort ein: in einem der Häuser wurden ein Fenster und ein Leuchter zerstört, im zweiten und im dritten (unbewohnt) sämtliche Möbel und der Hausrat zerschlagen. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde vollständig demoliert. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch vier jüdische Personen im Ort, eine von ihnen konnte wenig später emigrieren. Anfang 1942 waren noch zwei Frauen der jüdischen Gemeinde in Tauberretersheim übrig. Denn ein Mann war 1941 im Altersheim in Würzburg verstorben.

Eine der beiden Frauen wurde im März 1942 über Kitzingen nach Izbica im besetzten Ostpolen deportiert, die andere zeitgleich nach Würzburg in ein Sammelquartier umgesiedelt und im September von dort nach Theresienstadt verschleppt. Die Frau, die bereits seit 1939 in Würzburg wohnte, war im November 1941 aus Würzburg nach Riga-Jungfernhof transportiert worden. Mit ihnen wurden also drei Frauen direkt aus Unterfranken deportiert. Das Geschwisterpaar in Frankfurt ereilte dasselbe Schicksal 1941/42. Niemand von ihnen überlebte. Demnach sind für Tauberrettersheim mindestens fünf Opfer der Shoa zu beklagen. Ein Mann, der wohl von einem unbekannten Ort außerhalb Unterfrankens deportiert worden war, überlebte.

Tauberrettersheim beteiligt sich mit zwei Koffern am Projekt „DenkOrt Deportationen“. Das lokale Gepäckstück erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Der zweite Koffer befindet sich in Würzburg und bildet mit den Gepäckstücken anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zum “DenkOrt” und zu den Deportationen.

Ausführliche Informationen zur jüdischen Gemeinde Tauberrettersheim
Quellen zu den Gemeindeartikeln

Angaben zum Standort des DenkOrts in Tauberrettersheim folgen zu gegebener Zeit.

© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries, 2025

Shoa-Opfer, die 1933 in Tauberrettersheim gelebt hatten

Emma Grünfeld (1879 – 1942) 
Margareta Grünfeld, geb. Sulzbacher (1867 – 1944)
Betty Gunzenhäuser (1889 – 1942)
Josef Gunzenhäuser (1886 – 1941/44)
Hanna Schloss (1892 – 1941/1942)

Überlebender der Deportationen
Julius Berg (1876 – unbekannt)