Jüdische Gemeinde Theilheim, heute ein Ortsteil der Gemeinde Waigolshausen
1933 zählte die jüdische Gemeinde in Theilheim bis zu 72 Personen. Fünf weitere werden beim Gedenken als Theilheimer mitberücksichtigt, weil sie als Minderjährige oder Unterstützungsbedürftige dorthin zurückkehrten, dorthin heirateten oder geboren wurden.
Die Wurzeln der jüdischen Siedlung reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück, als Theilheim ein Erbzinsgut des Würzburger Domkapitels war und sich in dessen Schutz vereinzelt Juden im Ort ansiedelten. Doch erst ab dem 17. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Familien zu, 1693 waren es sechs. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stieg sie auf 28, 1817 waren es 38. Die Theilheimer Juden trieben im nahen Schweinfurt Handel, wo keine Juden wohnen durften. Theilheim gehörte zu dieser Zeit zu den Orten in Unterfranken mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil (mehr als 40%). Seit 1733 verfügte die Gemeinde über ein eigenes Synagogengebäude, das 1872 durch einen größeren Neubau ersetzt wurde. Es war verbunden mit dem Lehrerhaus, wo auch der Religionsunterricht stattfand.
1871 erreichte die Gemeinde mit 235 Mitgliedern ihren Höchststand. Da der jüdischen Bevölkerung in Bayern 1861 die freie Wohnortwahl gestattet worden war, sank die Anzahl der Theilheimer Jüdinnen und Juden deutlich. Dazu trug besonders bei, dass nun im benachbarten Schweinfurt wieder eine Gemeinde entstand. 1890 lebten noch 164 jüdische Menschen in Theilheim, 1925 waren es nur noch 81. Der berühmteste in Theilheim geborene Jude war Rabbiner Mendel Rosenbaum (ca. 1783 – 1868). Er zog bereits 1822 nach Zell am Main, wo er eine Nagelschmiede betrieb und mit seiner Familie eine eigene Gemeinde gründete. Er lehrte als Rabbiner und erlangte als fränkischer Wortführer einer strengen Orthodoxie Ansehen und Bekanntheit.
Systematische Entrechtung, wirtschaftliche Boykotte und der wachsende Verfolgungsdruck seit 1933 veranlassten zunächst verhältnismäßig wenige Mitglieder der jüdischen Gemeinde dazu, Theilheim zu verlassen. Vier Generationen einer Familie mit bis zu neun Personen zogen jedoch 1937/38 zu, von denen ein Teil ihren bisherigen Wohnort Bonnland wegen der Einrichtung des Truppenübungsplatzes hatte verlassen müssen. Der andere Teil kam aus Arnstein.
Erst der brutale Überfall auf Samuel Baumblatt im Mai 1935, der ihn zum Suizid veranlasste, scheint den Theilheimer Jüdinnen und Juden die drohenden Gefahren richtig bewusst gemacht zu haben. Einige unternahmen nun Schritte zu ihrer Emigration. Zwischen 1935 und 1941 gelang 24 Gemeindemitgliedern die Flucht ins sichere Ausland, davon mind. 18 in die USA und vier nach Großbritannien. Zwei weitere Personen wanderten wohl ebenfalls aus, sie gehören jedenfalls nicht zu den Opfern der Shoa. 12 Personen starben eines natürlichen Todes, die meisten von ihnen im Ort. Am 10. November 1938 legten auswärtige SD-Männer in Zivil Feuer in der Synagoge. Das gesamte Inventar verbrannte, nur die Umfassungsmauern des Gebäudes blieben stehen. Noch am gleichen Tag überfielen und demolierten SA-Männer aus Schweinfurt auch die Wohnungen der jüdischen Familien. Wenige Tage später wurde alle jüdischen Hausbesitzer gezwungen, ihre Häuser unter Wert zu verkaufen. Die Repressalien setzten sich auch in der Folgezeit fort. So wurde ein junger Mann wegen angeblicher „Rassenschande“ seit 1939 im Gefängnis und im KZ Buchenwald festgehalten. Zwar im April 1945 befreit, starb er nur zwei Monate später an den Folgen der jahrelangen Haft.
35 Theilheimer Jüdinnen und Juden wurden ab 1942 aus Unterfranken deportiert: 23 Personen im April 1942 über Würzburg nach Kraszniczyn im besetzten Ostpolen sowie 12 Menschen im September 1942 mit zwei Transporten ins Ghetto Theresienstadt. Sie waren bereits im April und im August in die Sammelunterkünfte in Würzburg gebracht worden. Auch die zehn Personen, die seit 1933 nach Theilheim zugezogen waren, überlebten die NS-Verfolgungen nicht, acht wurden ebenfalls nach Krasniczyn verschleppt. Vier Menschen wurden von ihren neuen Wohnorten aus deportiert. Niemand der Deportierten überlebte. Somit sind für Theilheim 41 Opfer der Shoa zu beklagen, darunter zehn Kinder und Jugendliche.
Theilheim beteiligt sich mit zwei Koffern am Projekt „DenkOrt Deportationen“. Das lokale Gepäckstück erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Der zweite Koffer befindet sich in Würzburg und bildet mit den Gepäckstücken anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zum “DenkOrt” und zu den Deportationen.
Angaben zum Standort des DenkOrts in Theilheim folgen zu gegebener Zeit.
Ausführliche Informationen zur jüdischen Gemeinde Theilheim
Quellen zu den Gemeindeartikeln
© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries, 2025
Shoa-Opfer, die 1933 in Theilheim gelebt hatten
Samuel Baumblatt (1870 – 1935)
Anneliese Finke (1923 – 1942)
Bertha Finke (1875 – 1944)
Emma Finke, geb. Freimann (1893 – 1942)
Isidor Finke (1890 – 1942)
Sofie Finke, geb. Strauß (1859 – 1943)
Jakob Freudenthal (1882 – 1942)
Johanna Freudenthal, geb. Joelsohn (1861 – 1943)
Therese Freudenthal (1879 – 1942)
Babette Klau (1861 – 1942)
Flora Klau (1863 – 1942)
Irma Klau, geb. Baumblatt (1896 – 1942)
Lina Klau (1867 – 1943)
Max Klau (1890 – 1942)
Regina Klau, geb. Frank (1860 – 1942)
Josef Kleemann (1869 – 1944)
Klara Kleemann (1869 – 1943)
Pauline Betty Kleemann (1878 – 1944)
Benjamin Klein (1867 – 1943)
Hanna Klein (1941 – 1942)
Lina Klein, geb. Kuhl (1878 – 1942)
Rosa Klein, geb. Kremer (1904 – 1942)
Siegfried Klein (1900 – 1942)
Betty Neumann (1877 – 1942)
Karolina Lina Neumann (1873 – 1942)
Bella Oberdorfer (1929 – 1942)
Elsa Oberdorfer, geb. Finke (1892 – 1942)
Erich Oberdorfer (1923 – 1945)
Julius Oberdorfer (1920 – 1942)
Karola Oberdorfer (1925 – 1942)
Siegfried Oberdorfer (1890 – 1942)
Amalie Rosenbaum, geb. Mendle (1885 – 1942/1943)
Edith Rosenbaum (1928 – 1942/1943)
Trude Rosenbaum (1922 – 1942/1943)
Bertha Vorchheimer, geb. Finke (1895 – 1942)
Justin Vorchheimer (1925 – 1942)
Ludwig Löb Vorchheimer (1891 – 1942)
Alice Lina Weinstock (1935 – 1942)
Felix Weinstock (1894 – 1942)
Hedwig Weinstock, geb. Kaufmann (1900 – 1942)
Leo Weinstock (1932 – 1942)