Jüdische Gemeinde Schwanfeld
1933 lebten 58 jüdische Bürgerinnen und Bürger in Schwanfeld. Der Ort zeichnet sich durch eine weit zurückreichende jüdische Vergangenheit aus. 1298 werden zum ersten Mal jüdische Bewohner erwähnt. Greifbar wird die Gemeinde aber vor allem seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, als hier ein jüdisches Zentrum entstand. Das ist daran abzulesen, dass den Juden neben einem Betraum und einer Mikwe auch die Anlage eines Friedhofs für die ganze Region und die Niederlassung eines Rabbiners gestattet wurde. Er führte eine Talmud-Tora-Schule und hielt Gericht. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellten die 230 Jüdinnen und Juden 37 % der Dorfbevölkerung. Seitdem ging ihre Zahl kontinuierlich zurück, 1900 waren es noch 114 Personen.
Doch der Exodus begann wie anderswo erst richtig infolge der NS-Repressionen ab 1933. Bis 1935 verließen acht Personen den Ort. Zu ihnen gibt es keine Informationen. Zwischen 1936 und 1940 wanderten 29 jüdische Bewohnerinnen und Bewohner aus, Ziele waren die USA (23), England (2), Palästina (5) und die Niederlande (1). Zwölf Personen zogen zwischen 1938 und 1942 nach Würzburg (8), Frankfurt a.M. (3) und Augsburg (1). Ein Mann starb in Schwanfeld, je eine Frau in Würzburg und in Frankfurt. Vier Menschen wurden direkt aus Schwanfeld deportiert – dazu eine vierköpfige Familie, die Ende 1938 nach Schwanfeld zur Mutter/Großmutter geflohen war.
Elf jüdische Bürgerinnen und Bürger, die 1933 in Schwanfeld gelebt hatten, wurden aus Unterfranken deportiert. Mindestens weitere sechs Personen ereilte dieses Schicksal an ihren neuen Wohnorten in Deutschland und eine in den Niederlanden. Insgesamt muss man also von 18 Deportierten sprechen, von denen lediglich ein Mann überlebte. Schwanfeld hat also 17 Shoa-Opfer zu beklagen, darunter ein Kind.
Der Rucksack in Schwanfeld erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein zweiter Rucksack steht in Würzburg und bildet zusammen mit den Gepäckstücken anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.
Standort des DenkOrts in Schwanfeld: An der Gedenkstele
Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Schwanfeld
Quellen zu den Gemeindeartikeln
© JSZ, Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries
Shoaopfer, die 1933 in Schwanfeld gelebt hatten
Carolina Rebekka Blättner, geb. Stern (1856 – 1942)
Luise Blättner (1920 – 1942)
Max Blättner (1886 – 1942)
Sara Selma Blättner, geb. Kissinger (1890 – 1942)
Camilla Gitta Einstein, geb. Stern (1880 – 1942)
Anna Gutmann, geb. Blättner (1883 – 1942)
Erna Gutmann (1908 – 1943)
Gert Samuel Gutmann (1932 – 1942)
Julius Gutmann (1879 – 1942)
Louis Gutmann (1873 – 1943)
Therese Thekla Gutmann, geb. Schwab (1908 – 1942)
Ida Heimann, geb. Berney (1873 – 1942)
Tina Dina Heimann (1905 – 1943)
Emma Rosenbusch, geb. Gutmann (1881 – 1942)
Leopold Rosenbusch (1876 – 1942)
Simon Rosenbusch (1860 – 1943)
Hilda Hilde Würzburger (1903 – 1942)
Überlebender der Deportationen
Ludwig Gutmann (1902 – 1984)