Jüdische Gemeinde Bad Brückenau

1933 zählte die jüdische Gemeinde in Bad Brückenau ohne die zur Gemeinde gehörenden Wernarzer Mitglieder 117 Personen, vermutlich jedoch einige mehr. Ihre Wurzeln reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück, als sich vereinzelt Schutzjuden im Ort niederließen. 1605 lebten 11 jüdische Familien in Brückenau. Nach der Vertreibung durch die Fürstäbte des Hochstifts Fulda 1672 konnten sich jedoch erst ab 1721 wieder einzelne Familien niederlassen. Im 19. Jahrhundert waren es zunächst vier Familien, bevor ab 1869 die jüdische Bevölkerung deutlich anwuchs. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreichte die Gemeinde mit 131 Personen in 31 Haushalten ihre maximale Größe. Zu den Zuwanderern, die durch den boomenden Kurbetrieb im Staatsbad angezogen wurden, gehörte auch die Familie Schuster.

Trotz systematischer Entrechtung, wirtschaftlicher Boykotte und wachsenden Verfolgungsdrucks verließen die Mitglieder der jüdischen Gemeinde Brückenau zunächst nur zögerlich den Ort. Zwischen 1933 und 1940 gelang 26 Personen die Flucht ins Ausland, darunter die USA (13), Südafrika (7), Palästina (5) und England (1). 94 weitere verzogen innerhalb des Deutschen Reiches, insbesondere nach den gewaltsamen Ausschreitungen während der Novemberpogrome. Der größte Teil von ihnen siedelte nach Frankfurt am Main (58) über. Mindestens sechs Mitglieder der Gemeinde verstarben in Brückenau oder an ihren neuen Wohnorten. Eine junge Frau wurde 1940 Opfer der Krankenmorde.

Ein Ehepaar aus Brückenau wurde im April 1942 direkt aus Unterfranken deportiert. Das gleiche Schicksal ereilte mindestens 28 weitere Menschen an ihren neuen Wohnorten. Die übrigen aus Brückenau verzogenen Jüdinnen und Juden konnten von ihren neuen Wohnorten aus entweder emigrieren oder verstarben vor der Deportation. Niemand der Deportierten überlebte. Somit sind für Brückenau (ohne Wernarz) mindestens 31 Opfer der Shoa zu beklagen.

Bad Brückenau beteiligt sich mit zwei Koffern am Projekt „DenkOrt Deportationen“. Das lokale Gepäckstück erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden von Brückenau und Wernarz, das 1939 eingemeindet wurde. Der zweite Koffer befindet sich in Würzburg und bildet mit den Gepäckstücken anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”. 

Standort des Koffers in Bad Brückenau: Bahnhofstraße, neben dem Alten Rathaus

Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Bad Brückenau
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries

Shoa-Opfer, die 1933 in Brückenau gelebt hatten
(zu den Shoa-Opfern aus Wernarz s. dort)

Wilhelmine Binheim, geb. Kaufmann (1865 – 1942)
Bernhard Frank (1898 – 1942)
Hermann Frank (1881 – 1941/1942)
David Herbert Fröhlich (1932 – 1941)
Ferdinand Fröhlich (1898 – 1941)
Ricka Fröhlich (1872 – 1941)
Sara Fröhlich (1870 – 1940)
Selma Fröhlich, geb. Goldschmidt (1901 – 1941)
Selma Fröhlich (1904 – unbekannt)
Benjamina Goldschmidt, geb. Strauß (1874 – 1942)
Ludwig Goldschmidt (1923 – 1941)
Max Goldschmidt (1892 – 1941)
Sybilla Goldschmidt, geb. Klein (1891 – 1941)
Ricka Hecht, geb. Jochsberg (1866 – 1943)
Hermine Kahn, geb. Adler (1877 – unbekannt)
Irma Kahn (1912 – 1940) Krankenmord
Isfried Kahn (1910 – 1943)
Helene Königsberger, geb. Binheim (1889 – 1941)
Erna Erika Meyer (1916 – 1944)
Mirjam Marianne Nußbaum, geb. Stern (1888 – 1942)
Irma Reis (1912 – 1941)
Berta Spier (1876 – 1942)
Mathilde Stern, geb. Oppenheimer (1881 – 1944)
Siegmund Stern (1874 – 1943)
Klara Tannenwald, geb. Müller (1891 – 1942)
Lothar Tannenwald (1894 – 1942)
Regina Vandewart, geb. Michalowsky (1879 – 1942/1943)
Theodor Vandewart (1878 – 1942/1943)
Dorothea Zeller, geb. Oppenheimer (1890 – 1941)
Max Zeller (1883 – 1941)
Reni Zeller (1927 – 1941)