Jüdische Gemeinde Königshofen im Grabfeld
1933 lebten in Königshofen 94 bis 97 jüdische Bürgerinnen und Bürger. Erste Nachrichten über jüdische Bewohner:innen datieren aus dem Mittelalter, sie werden in Zusammenhang mit den Pogromen von 1298 und 1349 erwähnt. Erst 300 Jahre später ist dann erneut von jüdischen Familien die Rede, mal zwei, mal fünf bis sechs im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts. Erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begann die jüdische Gemeinde zu wachsen und erreichte 1925 mit 108 Personen ihren größten Umfang. Diesem Umstand ist es zu danken, dass die Gemeinde erst 1904 ein repräsentatives Synagogengebäude einweihte. Um 1925 schloss sich die stark geschrumpfte jüdische Gemeinde Trappstadt als Filialgemeinde an die zu Königshofen an.
Entrechtung, Repressalien und Wirtschaftsboykotte in der NS-Zeit bewogen auch die Königshöfer Jüdinnen und Juden dazu, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Seit 1936/37 stieg die Zahl derjenigen an, die in anderen, meist größeren deutschen Städten eine neue Perspektive suchten oder die ins Ausland flohen. 45 Emigrationen sind bezeugt, ganz überwiegend direkt aus Königshofen in die USA (28), nach Großbritannien (10), Südafrika (2) oder Südamerika (2). Drei Personen flohen ins nicht sichere Ausland (NL) und wurden letztlich deportiert.
Auch alle weiteren jüdischen Bewohner:innen Königshofens verließen unter dem Druck der Repressionen bis 1941 die Stadt. Sieben Menschen starben eines natürlichen Todes in Königshofen, drei in Würzburg. Bevorzugte Ziele innerdeutscher Umzüge lassen sich nicht ausmachen, diese reichen von Berlin über Meiningen, Würzburg, Nürnberg, Regensburg, München und Frankfurt am Main bis nach Südwestdeutschland und an den Mittelrhein. Einige Personen (s.u.) wurden von dort deportiert, bis zu 25 weiteren scheint noch die Emigration gelungen zu sein. Unter den Opfern der Deportationen werden sie jedenfalls nicht aufgeführt.
Der Novemberpogrom in Königshofen richtete sich 1938 vor allem gegen Ausstattung und Inventar der Synagoge – sie wurden komplett zertrümmert. Das Gebäude blieb unbeschädigt. Acht jüdische Männer wurden für einige Zeit im Konzentrationslager Dachau eingesperrt. 1939 lebten noch 20 jüdische Bürgerinnen und Bürger in der Stadt. Die letzten sieben von ihnen wurden im August 1941 gezwungen, den Ort zu verlassen: der Älteste kam nach Würzburg und starb dort, die sechs anderen mussten nach Kleineibstadt umziehen, von wo sie im Jahr darauf deportiert wurden. Lediglich eine Frau, die mit einem nichtjüdischen Mann verheiratet war, konnte in Königshofen bleiben.
Neun jüdische Bürgerinnen und Bürger, die 1933 in Königshofen gelebt hatten, wurden aus Unterfranken deportiert (zwei Personen werden nicht angezeigt). Mindestens weitere 14 Personen ereilte dieses Schicksal an ihren neuen Wohnorten in Deutschland und in den Niederlanden (3). Drei von ihnen wurden nach Südfrankreich deportiert, von denen eine Frau dort, die anderen beiden in Auschwitz starben. Bad Königshofen hat damit 23 Opfer der Shoa zu beklagen, darunter fünf Kinder und Jugendliche. Niemand überlebte.
Der Koffer in Bad Königshofen erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes sowie an die aus der Filialgemeinde Trappstadt. Ein zweites Gepäckstück steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.
Informationen zum Standort des Koffers in Bad Königshofen folgen zu gegebener Zeit.
Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Königshofen im Grabfeld
Quellen zu den Gemeindeartikeln
© Recherche und Text: Rotraud Ries
Shoaopfer, die 1933 in Königshofen im Grabfeld gelebt hatten*
Klara Blechner, geb. Friedberger (1886 – 1943)
Henny Frank, geb. Einstädter (1895 – 1943)
Irma Frank, geb. Einstädter (1894 – 1942)
Josef Frank (1885 – 1942)
Lieselotte Frank (1931 – 1942)
Werner Frank (1934 – 1942)
Bernhard Friedmann (1925 – 1944)
Berta Friedmann, geb. Frankenburger (1868 – 1945)
Hedwig Friedmann, geb. Adler (1895 – 1944)
Josef Friedmann (1887 – 1944)
Kolaja Gutmann (1870 – 1943)
Johanna Hofmann (1926 – 1942)
Julius Hofmann (1892 – 1942)
Ludwig Hofmann (1923 – 1942)
Selma Hofmann, geb. Schlorch (1894 – 1942)
Ida Kahn (1886 – 1942/43)
Josef Kahn (1895 – 1942/43)
Lina Kahn, geb. Gutmann (1869 – 1943)
Hermann Reis (1893 – 1942)
Klara Reis, geb. Schloß (1894 – 1942)
Sophie Stern, geb. Stern (1871 – 1942)
Johanna Zeilberger, geb. Reinhold (1883 – 1942)
Julius Zeilberger (1883 – 1942)
* Zur Quelle
Unter den Quellen der Gedenkstätte Yad Vashem befinden sich im Bestand O.8 34 Listen jüdischer Bewohner aus verschiedenen Orten, die 1947 an die Zeitung „Der Volkswille“ in Schweinfurt gesendet wurden, darunter der „Auszug aus dem Verzeichnis der Stadt Königshofen i.Gr. der ehem. ortsansässigen Juden“. Sie hat 111 Nummern und damit mehr Namen, als die 94 Personen, die 1933 in Königshofen gewohnt haben sollen. Die vermutliche Vorlage dieser Liste befindet sich in den Arolsen Archives und enthält bis auf kleine Abweichungen dieselben Informationen. Sie ist ohne Lücke durchnummeriert. Beide Listen sind im ersten Teil (Nr. 1-70) alphabetisch nach Nachnamen/Familien angelegt und geben an, wann jede Person und wohin weggezogen ist. In einigen Fällen ist an dieser Stelle nur ein Fragezeichen geschrieben, meist bei Deportierten. Drei Personen sind vor 1933 weggezogen, eine Nummer ist nicht belegt (Yad Vashem) und vier Personen sind doppelt aufgeführt, weil sie wohl mehrfach hin- und herzogen. Zwei Personen einer Königshöfer Familie müssen nach den Angaben des Bundesarchivs zur Liste ergänzt werden. Die Gesamtzahl der Namen für die Zeit ab 1933 ist damit auf 107 zu korrigieren.
Der zweite Teil der Liste ab Nr. 71 ist nicht alphabetisch sortiert. Er umfasst v.a. junge Menschen, die im ersten Teil der Liste fehlen. Dort ist niemand aufgeführt, der nach 1915 geboren wurde. Dazu kommen aber wohl auch wenige Personen, die nicht zu den Königshöfer Familien gehörten, nach 1933 zuzogen wie z.B. der junge Lehrer Justin Bernheimer (1936-1938). Auch solche, die als Lehrlinge, Hausmädchen oder Schüler zeitweilig dort wohnten, sind aufgeführt. Von ihnen stammten einige aus kleinen jüdischen Gemeinden in Franken und in Hessen. Soweit überprüfbar, sind sie dort den jüdischen Bewohnern von 1933 zugerechnet.
Elf Kinder und Jugendliche sind im 2. Teil der Liste direkt als Söhne/Töchter [der jüdischen Familien der Stadt] bezeichnet, 15 weitere gehören aufgrund ihres Namens und Alters wohl auch zu dieser Gruppe. Ein Mann scheint nach 1933 eine Frau geheiratet zu haben, die bereits im ersten Teil der Liste steht. Beide werden mitgezählt.
Addiert man den ersten Teil der Liste mit 70 Personen und den 2. mit 27, gelangt man mit 97 Personen in die Nähe der genannten 94, die lt. Ophir/Wiesemann, Jüdische Gemeinden in Bayern, 1933 in der Stadt lebten. Alle statistischen Angaben im Artikel beziehen sich auf diese 97 Personen.