Jüdische Gemeinde Estenfeld

1933 lebten in Estenfeld 13 jüdische Bürgerinnen und Bürger. Die Volkszählungsdaten aus dem gleichen Jahr zählen sogar 16 Personen. Jüdische Bewohner hatte Estenfeld bereits am Ende des 15. Jahrhunderts, 1533 stand dort ein „Judenhaus“. Im 17. Jahrhundert, während des 30jährigen Krieges, lebten sechs Familien dort, später vier. Im Laufe des 18. Jahrhunderts waren es meist fünf bis sieben Haushalte. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Zahl der Estenfelder Jüdinnen und Juden auf um die 60 Personen in zwölf Haushalten an und nahm danach kontinuierlich ab. Denn seitdem durften die jüdischen Familien ihren Wohnort frei wählen. Im 20. Jahrhundert war die Gemeinde so klein, dass sie nur mit jüdischen Betern von außerhalb noch Gottesdienste durchführen konnte.

Die Repressionen und der wirtschaftliche Druck des NS-Staates schränkten auch in Estenfeld das jüdische Leben seit 1933 immer weiter ein. Vier jungen Frauen, darunter drei Schwestern, gelang es, nach Palästina (3) und in die USA (1) zu emigrieren, zwei Personen zogen innerhalb Deutschlands um (Mannheim, Gailingen/Konstanz). Eine Frau starb eines natürlichen Todes. Zum Zeitpunkt des Novemberpogroms 1938 lebten noch acht Mitglieder der jüdischen Gemeinde im Ort. Die Synagoge war bereits verkauft und blieb unzerstört. Mindestens ein Mann wurde verhaftet und ins KZ Buchenwald transportiert. Die letzten fünf jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner mussten im Mai 1942 in Sammelquartiere nach Würzburg umziehen.

Diese fünf jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die 1933 in Estenfeld gelebt hatten, wurden direkt aus Unterfranken deportiert. Ebenso eine Frau, die erst nach 1933 zugezogen war. Mindestens zwei weitere Personen ereilte dieses Schicksal an ihren neuen Wohnorten in Deutschland, ein Mann starb nach mehrjähriger Haft im Konzentrationslager Buchenwald. Niemand von den Deportierten überlebte. Estenfeld hat damit acht Opfer der Shoa zu beklagen.

Der Koffer in Estenfeld erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein zweiter Koffer steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.

Informationen zum Standort des Koffers in Estenfeld folgen zu gegebener Zeit.

Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Estenfeld
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries; mit Unterstützung von Elisabeth Böhrer und Jochen Jörg

Shoaopfer, die 1933 in Estenfeld gelebt hatten

Carry Birn, geb. Sondhelm (1880 – 1944)
Isaak Birn (1859 – 1942)
Josef Birn (1873 – 1942)
Siegfried Birn (1897 – 1942)
Emma Löwenthal, geb. Steinhardt (1891 – 1944)
Leo Löwenthal (1876 – 1944)
Berta Meyer, geb. Haas (1898 – 1942)
Max Meyer (1898 – 1940)