Jüdische Gemeinde Großostheim
1933 lebten in Großostheim bis zu 30 jüdische Bürgerinnen und Bürger. Erste Nachrichten über jüdische Bewohner stammen jedoch bereits aus dem Mittelalter: Großostheim wird unter den Orten aufgelistet, an denen Menschen dem sog. „Rintfleisch-Pogrom“ von 1298 zum Opfer fielen. Nach einzelnen Hinweisen für die Zeit seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand eine jüdische Gemeinde wohl erst im 18. Jahrhundert. 1789 werden elf jüdische Haushalte erwähnt, 1817 sind es 17. Nach einem Rückgang der Personenzahl in der Mitte des 19. Jahrhunderts stieg diese 1890 noch einmal auf 79 an, um seitdem langsam und kontinuierlich abzunehmen. Viele jüdische Familien lebten vom Viehhandel.
Trotz der Entrechtung sowie der NS-Wirtschaftsboykotte und -Repressionen seit 1933 zögerten die meisten jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner von Großostheim zunächst, den Ort oder das Land zu verlassen. Denn viele Familien führten etablierte Geschäfte. Dies änderte sich in den Jahren 1938 und 1939. Der brutal gegen Menschen, Dinge und Gebäude durchgeführte Novemberpogrom beschleunigte die Entscheidungen. Zwölf Menschen emigrierten, alle in die USA, sechs über Frankfurt am Main; ein Mann floh am 10.11.1938 ohne Papiere nach Belgien, von dort weiter in die Niederlande, von wo er 1940 deportiert wurde. Sieben weitere jüdische Personen zogen ebenfalls nach Frankfurt am Main – und wurden dann von dort deportiert. Sechs Menschen blieben in Großostheim zurück und wurden 1942 direkt aus Unterfranken deportiert. Fünf von ihnen mussten zuvor noch für etwa drei Wochen in ein „Judenhaus“ nach Aschaffenburg ziehen. Zwei Männer starben seit 1933 eines natürlichen Todes, doch bis zu drei Personen begingen wohl aus Verzweiflung Suizid. Insgesamt hat Großostheim also bis zu 16 Opfer der Shoa zu beklagen, darunter eine Jugendliche. Niemand hat die Deportationen überlebt.
Der Koffer in Großostheim erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein zweites Gepäckstück steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.
Informationen zum Standort des Koffers in Großostheim folgen zu gegebener Zeit.
Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Großostheim
Quellen zu den Gemeindeartikeln
© Recherche und Text: Rotraud Ries
Shoaopfer, die 1933 in Großostheim gelebt hatten
Sophie Dornheimer (1882 – 1944)
Albert Fuld (1876 – 1943)
Karl Fuld (1879 – 1939)
Karolina Fuld (1922 – 1942)
Klara Fuld (1881 – 1942)
Max Fuld (1874 – 1942)
Selma Fuld, geb. Reis (1883 – 1944)
Rosel Gutheim, geb. Schloss (1917 – 1941/44)
Frieda Hellmann, geb. Sichel (1884 – 1941/43)
Max Neumann (1868 – 1942)
Rosa Neumann, geb. Rau (1886 – 1942)
Hannchen Reiß, geb. Grün (1879 – 1939)
Jenny Schloss, geb. Fuld (1877 – 1941/44)
Max Sichel (1892 – 1940)
Hanna Wertheimer, geb. Ehrmann (1877 – 1944)
Joseph Wertheimer (1878 – 1940)