Jüdische Gemeinde Karlstadt

1933 zählte die jüdische Gemeinde in Karlstadt mindestens 35 Personen. Ihre Wurzeln reichen vermutlich ins 13. Jahrhundert zurück, denn zu den Märtyrern der sogenannten „Rintfleisch-Pogrome“ 1298 in Franken gehörten auch wenige jüdische Familien in Karlstadt. Mitte des 14. Jahrhunderts soll es im Zuge der Pestpogrome erneut Verfolgungen der kleinen jüdischen Gemeinde gegeben haben. In den folgenden Jahrhunderten war die Ansiedlung von Juden in der zum Hochstift Würzburg gehörenden Stadt – mit einer Ausnahme kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg – verboten. Erst ab 1861, als diese Beschränkungen aufgehoben wurden, konnte durch Zuwanderung aus der Umgebung eine neue Gemeinde entstehen. Sie wuchs nur langsam, baute Gemeindestrukturen auf und traf sich in einem Betsaal zum Gebet. Ein Projekt zum Bau einer Synagoge scheiterte an den Kosten. Im Jahr 1915 erreichte die Gemeinde mit 72 Mitgliedern ihre maximale Größe. Bis 1924 ging diese auf 38 Personen zurück.

Systematische Entrechtung, wirtschaftliche Boykotte und der wachsende Verfolgungsdruck veranlassten die jüdische Bevölkerung zwischen 1933 und 1939 komplett zur Abwanderung aus Karlstadt. Dies gilt auch für die acht Personen, die seit 1933 noch zugezogen waren. Im Novemberpogrom verwüsteten SA-Trupps und Bewohner des Ortes die Synagoge, Häuser und Wohnungen der jüdischen Familien. Sie zerstörten Inventar und Möbel, raubten Kleidung, Bücher und Waren und plünderten oder verbrannten sie auf dem Marktplatz. Menschen wurden brutal geschlagen. Bereits im Mai 1939 lebten nur noch sechs jüdische Bewohner:innen in der Stadt. Hinzu kommen zwei Frauen, die mit Nichtjuden verheiratet waren und letztlich nicht deportiert wurden. Fünf Personen verstarben zwischen 1933 und 1939 in Karlstadt (3) und Würzburg (2). 21 Gemeindemitgliedern gelang direkt aus Karlstadt die Flucht in die USA (10), nach Palästina (5), Brasilien (5) und Südafrika (1). Fünf Personen flohen in andere Orte des Reiches, darunter Frankfurt am Main und Euskirchen. Von dort konnten drei von ihnen noch nach Großbritannien und Palästina sowie in ein unbekanntes Land auswandern. Die vierte, eine Frau, wurde aus Euskirchen über Köln nach Theresienstadt und ein Mann aus einer Heilanstalt in Bernau deportiert. Das gleiche Schicksal ereilte vier weitere Menschen, die infolge des Novemberpogroms 1938/39 in die Altersheime und Sammelquartiere in Würzburg geflohen waren. Sie wurden im September 1942 nach Theresienstadt deportiert. (In der Liste auf der DenkOrt-Seite wird eine Person zu wenig angezeigt.) Niemand von ihnen überlebte. Somit sind für Karlstadt sechs Opfer der Shoa zu beklagen.

Karlstadt beteiligt sich mit zwei Koffern am Projekt „DenkOrt Deportationen“. Der lokale Koffer erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden der Stadt. Ein zweiter befindet sich in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Die heutigen Stadtteile Wiesenfeld und Laudenbach, in denen es 1933 ebenfalls jüdische Gemeinden gegeben hatte, haben eigene Gepäckstücke erhalten. Siehe Grundinformationen zum “DenkOrt” und zu den Deportationen.

Angaben zum Standort des Koffers in Karlstadt folgen zu gegebener Zeit.

Ausführliche Informationen zur jüdischen Gemeinde Karlstadt
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries

Opfer der Shoa, die 1933 in Karlstadt gelebt hatten

Paula Bermann, geb. Siegel (1890 – 1942/1943)
Albert Felsenstein (1889 – 1942)
Ida Freudenberger, geb. Höbel (1881 – 1944)
Israel Rosenbaum (1873 – 1943)
Berta Strauß, geb. Silbermann (1872 – 1943)
Moses Strauß (1868 – 1943)