Jüdische Gemeinde Laudenbach, heute ein Ortsteil von Karlstadt
1933 zählte die jüdische Gemeinde in Laudenbach mindestens 76 Personen. Ihre Wurzeln reichen in den Anfang des 16. Jahrhunderts zurück, als sich vereinzelt Juden unter dem Schutz der Grafen von Wertheim im Ort ansiedelten. Im Jahr 1623 lebten bereits 6-7 jüdische Familien in Laudenbach. Vor allem im 18. Jahrhundert wuchs ihre Zahl deutlich an, 1785 waren es 31 Haushaltsvorstände. Sie standen in würzburgischem und in juliusspitälischem Schutz. Schon vergleichsweise früh, im 17. Jahrhundert verfügte die Gemeinde über ein freistehendes Synagogengebäude an der Stelle des bis heute erhaltenen Baus. Der oberhalb des Ortes angelegte jüdische Friedhof aus der Zeit um 1600 wurde mit vielen Gemeinden der Umgebung gemeinsam genutzt.
Im Jahr 1816 erreichte die Gemeinde mit 179 Mitgliedern in 33 Haushalten (1817) ihre maximale Größe. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als im benachbarten Karlstadt eine Gemeinde neu entstand, schrumpfte die Laudenbacher auf 141 Personen und ging bis 1910 auf 117 jüdische Bewohner:innen zurück.
Systematische Entrechtung, wirtschaftliche Boykotte und der wachsende Verfolgungsdruck veranlassten vor allem in den Jahren 1937 bis 1939 einen großen Teil der jüdischen Bevölkerung, Laudenbach zu verlassen. Gleichzeitig starben zwischen 1933 und 1942 13 Menschen im Ort (10) und in Würzburg (3).
Bereits im September 1938 überfielen Ortsbewohner jüdische Einwohner und beschädigten die Synagoge und einige Häuser. Am 10. November zerschlugen dann auswärtige SA-Männer und Ortsbewohner die Synagoge und ihr Inventar, ebenso die Wohnungen und Häuser der jüdischen Bevölkerung. Sie plünderten Synagogeninventar und Hausrat, verbrannten oder verkauften letzteres später. Unter der jüdischen Bevölkerung lösten sie eine Fluchtbewegung aus: Noch bis zum Ende des Jahres 1938 zogen 12 Personen nach Würzburg und in den ersten Monaten 1939 sechs nach Frankfurt und zwei nach Würzburg, von wo kaum noch jemand ins Ausland gelangte. Außer den elf Menschen, die im April 1942 direkt von Laudenbach über Würzburg nach Krasniczyn im besetzten Polen deportiert wurden, blieb ein Ehepaar in Laudenbach zurück. Es musste im Juni 1942 in ein Sammelquartier nach Würzburg umziehen.
30 Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gelang, überwiegend direkt aus Laudenbach, die Flucht nach Palästina (11), in die USA (14), sowie nach Brasilien (2) und Chile (1), von zwei weiteren ist das Fluchtziel unbekannt. Ein Mann beging im März 1933 Suizid, eine junge Frau wurde Opfer der Krankenmorde. 25 Laudenbacher Jüdinnen und Juden wurden über und aus Würzburg deportiert (Liste mit Abweichungen): nach Riga-Jungfernhof (4), Krasniczyn (11), Theresienstadt (9) und Auschwitz (1). Nur einer der Deportierten überlebte. Die sechs Menschen, die nach Frankfurt geflohen waren, wurden von dort deportiert und alle ermordet. Somit sind für Laudenbach mindestens 32 Opfer der Shoa zu beklagen.
Laudenbach beteiligt sich – wie auch die Karlstädter Stadtteile Wiesenfeld und Karlstadt – mit zwei Koffern am Projekt „DenkOrt Deportationen“. Das lokale Gepäckstück erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Der zweite Koffer befindet sich in Würzburg und bildet mit den Gepäckstücken anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zum “DenkOrt” und zu den Deportationen.
Angaben zum Standort des DenkOrts in Laudenbach folgen zu gegebener Zeit.
Ausführliche Informationen zur jüdischen Gemeinde Laudenbach
Quellen zu den Gemeindeartikeln
© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries
Shoa-Opfer, die 1933 in Laudenbach gelebt hatten
Else Adler, geb. Bergmann (1894 – 1941/1942)
Frieda Adler, geb. Landauer (1875 – 1942)
Isaak Adler (1867 – 1943)
Jeanette Adler, geb. Hamburger (1869 – 1943)
Manfred Adler (1894 – 1941/1942)
Frieda Berney (1879 – 1942)
Hannchen Berney, geb. Adler (1885 – 1942)
Julius Berney (1881 – 1942)
Meier Birk (1900 – 1933)
Moses Birk (1868 – 1942)
Anna (Nanni) Blumenthal (1883 – 1941/1942)
Frieda Frank, geb. Hanauer (1882 – 1941/1944)
Karl Frank (1937 – 1942)
Lazarus Louis Frank (1875 – 1941/1944)
Lothar Frank (1906 – 1942)
Rosa Frank, geb. Hamburger (1908 – 1942)
Thea Frank (1911 – unbekannt, ab 1940)
Wolf Löb Frank (1935 – 1942)
Elli Hirsch (1918 – 1942)
Ricka Hirsch, geb. Adler (1882 – 1942)
Jakob Hirschenberger (1879 – 1942)
Lina Hirschenberger, geb. Blumenthal (1884 – 1942)
Frieda Höbel, geb. Samuel (1899 – 1941/43)
Hedwig Höbel (1884 – 1943)
Hirsch Höbel (1885 – 1941/43)
Julius Jakob Höbel (1933 – 1941/43)
Leo Ludwig Höbel (1931 – 1941/43)
Helene Kaufmann, geb. Worms (1859 – 1942)
Leopold Rothschild (1861 – 1942)
Nanni Rothschild (1895 – 1943)
Aaron Siegel (1884 – 1944)
Hedwig Siegel, geb. Adler (1881 – 1944)
Überlebender
Siegfried Adler (1923 – 2004)