Jüdische Gemeinde Schweinfurt
Zu Beginn der NS-Gewaltherrschaft im Jahr 1933 zählte die Jüdische Gemeinde Schweinfurt 363 Mitglieder, darunter 31 Schulkinder. Jüdische Bewohner der ehemaligen Reichsstadt sind jedoch bereits seit Beginn des 13. Jahrhunderts bezeugt. Mit der Vertreibung von 1555 endete für lange Zeit die Existenz einer jüdischen Gemeinde in der Stadt. Erst um 1820 konnten sich gegen den Protest der Stadt zwei Familien wieder ansiedeln. Eine Gemeinde entstand 1863/64, wenig später wurde das Bezirksrabbinat von Niederwerrn dorthin verlegt. Von 200 Personen 1867 wuchs die Gemeinde schnell auf über 400 Mitglieder an. Jüdische Kaufleute, Gewerbetreibende und Fabrikanten trugen ebenso zur Entwicklung der Stadt bei wie Rechtsanwälte und Ärzte.
Aufgrund von Entrechtung, Repressionen und Wirtschaftsboykotten in der NS-Zeit entschieden sich viele Schweinfurter Jüdinnen und Juden sofort ab 1933, die Stadt zu verlassen. Die ausgeprägte antisemitische Bewegung vor Ort dürfte dazu beigetragen haben. Bis 1937 überwogen die Umzüge in andere deutsche Städte, seit 1938 und den besonders brutalen Überfällen und Verwüstungen im Novemberpogrom die Flucht ins Ausland. Insgesamt 221 Menschen verzogen innerhalb Deutschlands, darunter nach Berlin (23), München (6), Frankfurt a.M. und Freiburg (je 3). In vielen Fällen ist das Ziel jedoch nicht bekannt. Unter den 225 Personen, die ins Ausland flohen, dominieren als Zielländer die USA (110), Palästina (31), England (25), die Niederlande (12), Argentinien (8) und Frankreich (5). 36 Menschen starben in dieser Zeit in Schweinfurt.
Wie in Würzburg und Aschaffenburg zogen jedoch schon seit 1933 auch viele jüdische Bürgerinnen und Bürger aus der Region nach Schweinfurt zu. Bis hin zu den alten Menschen, die 1942 aus ihren Wohnorten vertrieben und in Schweinfurt für die Deportationen nach Theresienstadt gesammelt wurden. Insgesamt muss man von mehr als 200 Zuzügen ausgehen.
52 jüdische Bürgerinnen und Bürger, die 1933 in Schweinfurt gelebt hatten, wurden aus Unterfranken deportiert. Viele weitere Personen ereilte dasselbe Schicksal an ihren neuen Wohnorten in Deutschland und acht in den Niederlanden. Zwei Frauen begingen aus Verzweiflung Suizid. Von den aus Unterfranken Deportierten überlebte niemand. Drei Menschen, die mit nichtjüdischen Partner:innen verheiratet waren, konnten in Schweinfurt bleiben.
Der Gedenk-Koffer in Schweinfurt erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein identischer Koffer steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.
Standort des DenkOrts in Schweinfurt: Gedenkstätte in der Siebenbrückleinsgasse
Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde
Quellen zu den Gemeindeartikeln
© JSZ, Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries