Jüdische Gemeinde Steinach an der Saale

1933 lebten in Steinach an der Saale 39 jüdische Bürgerinnen und Bürger. Die ersten Nachrichten über jüdische Bewohner:innen im Ort stehen in Zusammenhang mit einem Pogrom 1338/39 und der Ermordung der Steinacher Juden. Mehr als 300 Jahre später etablierte sich unter dem Schutz des Würzburger Fürstbischofs, vor allem aber reichsritterschaftlicher Familien in Steinach eine jüdische Gemeinde. Von sechs wuchs die jüdische Bevölkerung zwischen 1699 und 1748 auf 32 Familien an. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und der Gewährung der freien Wohnortwahl schwankte ihre Zahl zwischen 26 und 32 Familien. 1851 wurde die Höchstzahl mit 35 Familien/157 Personen erreicht und nahm seitdem kontinuierlich ab.

Bereits früh in der NS-Zeit scheinen viele jüdische Familien in Steinach aufgrund der Repressionen und Wirtschaftsboykotte zu dem Schluss gekommen zu sein, dass sie keine Zukunft mehr in Deutschland hatten. Von 1934 bis 1938, also noch vor den Novemberpogromen, wanderten sie aus – insgesamt 22 Personen in die USA (15), nach Urugay (5) und Kuba (2). Gleichzeitig zogen bis zu zwei Personen zu, dazu zeitweilig einige junge Menschen, die sich zur Vorbereitung der Emigration in der Landwirtschaft ausbilden ließen. Fünf Menschen starben eines natürlichen Todes. Im November 1938 lebten noch 12 Jüdinnen und Juden im Ort. Die meisten der acht Umzüge innerhalb Deutschlands waren eine Folge der lokalen Verfolgungsmaßnahmen nach dem Novemberpogrom. Steinacher Jüdinnen und Juden zogen nach Bad Neustadt (6), Würzburg (1) und Berlin (1), alle wurden von ihren neuen Wohnorten aus deportiert.

Der Novemberpogrom lief wie an so vielen anderen kleinen Orten ab. Mit Beilen bewaffnete Männer zerschlugen in den Häusern von drei jüdischen Familien alles kurz und klein. Ebenso verfuhren sie mit dem Inventar der Synagoge. Das Gebäude selbst wurde nicht angetastet. Ein Mann wurde verhaftet und ins KZ Dachau geschickt. Anfang 1942 wohnten noch sechs jüdische Menschen in Steinach, von denen zwei ältere Personen im März nach Würzburg ins Altersheim bzw. Sammelquartier gebracht und die anderen vier – eine Familie – im April über Würzburg deportiert wurden.

13 jüdische Bürgerinnen und Bürger, die 1933 in Steinach gelebt hatten, wurden aus Unterfranken deportiert. Eine junge Frau ereilte dieses Schicksal an ihrem neuen Wohnort in Deutschland. Steinach an der Saale hat damit 14 Opfer der Shoa zu beklagen, darunter fünf Kinder und Jugendliche. Niemand überlebte die Deportationen.

Der Koffer in Steinach erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein zweites Gepäckstück steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.

Informationen zum Standort des Koffers in Steinach an der Saale folgen zu gegebener Zeit.

Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Steinach an der Saale
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© Recherche und Text: Rotraud Ries

Shoaopfer, die 1933 in Steinach gelebt hatten

Regina Gessner (1858 – 1942)
Albert Leven (1922 – 1942)
Herta Leven (1920 – 1943)
Ilse Leven (1925 – 1942)
Manfred Leven (1893 – 1942)
Paula Leven, geb. Lion (1887 – 1942)
Amalie Stern, geb. Schäler (1859 – 1944)
Moses Stern (1855 – 1942)
Fanny Straus, geb. Gessner (1871 – 1942)
Herbert Straus (1930 – 1942)
Justin Straus (1902 – 1942)
Kurt Straus (1933 – 1942)
Paula Straus, geb. Frei (1899 – 1942)
Sophie Susanne Straus (1937 – 1942)