Jüdische Gemeinde Unterriedenberg mit Oberriedenberg

1933 lebten in Unterriedenberg 33 Jüdinnen und Juden*, in Oberriedenberg zwei, zwei Kinder wurden nach 1933 geboren. Es geht hier also um das Schicksal von 37 Menschen. Die Geschichte jüdischer Ansiedlung in dem Teil von Riedenberg, der zum Stift Fulda gehörte (= Unterriedenberg ab 1818), reicht wohl bis an das Ende des 17. Jahrhunderts zurück. Denn 1703 gab es bereits fünf jüdische Hausbesitzer. 1763 wohnten zwölf jüdische Familien dort, mit denen die wenigen Juden, die sich in Brückenau niederlassen durften, eine „Gebetsgemeinschaft“ bildeten. Im 19. Jahrhundert stieg ihre Zahl mit Schwankungen bis auf 18 Familien (1881). Parallel zum neuen Wachstum der jüdischen Gemeinde in Brückenau begann die Gemeinde in Unterriedenberg danach deutlich auf wenig mehr als 40 Personen (1925) zu schrumpfen.

Aufgrund der systematischen Entrechtung seit 1933, von Wirtschaftsboykotten und zunehmenden Repressalien verarmten viele jüdische Familien. In den ersten Jahren setzten Aus- und Abwanderung noch zögernd ein, bevor die ganze Gemeinde wie in anderen Orten im Nordwesten Unterfrankens zwischen 1937 und Mitte Dezember 1938 fluchtartig ihre Heimat verließ. Dazu trug nicht zuletzt der brutale und zerstörerische Verlauf des Novemberpogroms bei. Das komplette Inventar der Synagoge und die Einrichtungen der jüdischen Familien wurden zerschlagen, auf Wagen geladen und außerhalb des Ortes verbrannt. Die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner, denen auch Bargeld und Wertsachen abgenommen worden waren, blieben mit leeren Händen und traumatisiert zurück. Sie ergriffen in den folgenden Wochen die Flucht. Mitte Dezember 1938 lebte kein Mitglied der Gemeinde mehr im Raum Riedenberg.

Acht Personen konnten direkt aus Unterriedenberg in die USA auswandern, andere zogen, meist zu Familienmitgliedern, nach Bad Neustadt (1), Brückenau/Frankfurt (1), Mellrichstadt (1), Würzburg (1) oder Eisenach (2). Mehr als die Hälfte der jüdischen Gemeinde wandte sich jedoch nach Frankfurt a.M. (17), von wo es bis zu zwölf Menschen noch ins sichere Ausland schafften. Insgesamt konnten damit bis zu 21 Bewohnerinnen und Bewohner von Unterriedenberg emigrieren.

Mindestens acht Menschen starben eines natürlichen Todes, ein 90-jähriger Mann beging aus Verzweiflung in Frankfurt Suizid. Zwei Personen, die 1933 im Ort gewohnt hatten, wurden aus Unterfranken deportiert. (Statt Rita Hecht muss es auf der genannten Seite allerdings Jakob Goldbach heißen.) Fünf bis sechs Personen wurden aus ihren neuen Wohnorten in Frankfurt a.M. und Eisenach deportiert. Niemand von ihnen überlebte. So sind in Riedenberg also bis zu neun Opfer der Shoa zu beklagen.

Die heutige Gemeinde Riedenberg beteiligt sich mit zwei Rucksäcken am Projekt „DenkOrt Deportationen“. Das lokale Gepäckstück erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden von Unter- und Oberriedenberg. Ein zweiter Rucksack steht in Würzburg und bildet zusammen mit den Gepäckstücken anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.

Angaben zum Standort des DenkOrts in Riedenberg folgen zu gegebener Zeit.

Ausführliche Informationen zur jüdischen Gemeinde Unterriedenberg (mit Oberriedenberg)
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries; mit Unterstützung von Cornelia Mence

Shoa-Opfer, die 1933 in Unterriedenberg und Oberriedenberg gelebt hatten

Lotte Edelstein, geb. Reis (1868 – 1943)
Betty Goldbach, geb. Maier (1889 – 1942/1943)
Jakob Goldbach (1862 – 1943)
Maier Goldbach (1851 – 1941)
Ida Hecht (1887 – 1942)
Betty Sitzmann, geb. Hirschberg (1892 – 1942)
Irene Sitzmann (1920 – 1942)
Isidor Sitzmann (1885 – 1942)
Lydia Sitzmann (1926 – 1942)

* Die vierköpfige Familie von Samuel Strauß, der die Emigration gelang, wird üblicherweise zu den jüdischen Bewohner:innen von Unterriedenberg 1933 hinzugezählt. Denn sie ist in einer Quelle aus der Nachkriegszeit aufgeführt. Sie lebte allerdings bereits seit 1930 in Würzburg (lt. Kartei der IKG).