Jüdische Gemeinde Wörth am Main

1933 lebten 18 jüdische Bürgerinnen und Bürger in Wörth am Main, zwei Kinder wurden erst danach geboren. Bereits seit dem späten 16. Jahrhundert hatten sich vereinzelt Juden in dem Ort aufgehalten. Doch eine Gemeinde entstand erst im 19. Jahrhundert. Sie bestand zu Beginn des Jahrhunderts aus sechs Haushalten (1817), 1837 aus 36 Personen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es noch 26 Personen. 

Als Folge des wirtschaftlichen Boykotts sowie der zunehmenden Entrechtung durch das NS-Regime wanderten zwischen 1934 und 1938 sechs Menschen aus Wörth in die USA (5) und in ein nicht bekanntes Land (1) aus. Drei jüdische Einwohner zogen 1935/36 in andere deutsche Städte, eine Frau starb 1938. Im März 1939, kurz nach den heftigen Ausschreitungen im Novemberpogrom und nach neuerlichen Gewalttaten, verließen die letzten elf jüdischen Einwohner fast geschlossen den Ort Richtung Aschaffenburg (4), Mannheim (3) und Dresden (2). Nur zwei jüdische Frauen, Mutter und Tochter, blieben dort. Sie lebten in einem Haus. Die Mutter wurde kurz vor der Deportation nach Aschaffenburg gebracht und am 23. September 1942 von Würzburg aus in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die Tochter hatte einen Nicht-Juden geheiratet und konnte mit ihrer Familie in Wörth bleiben.

Fünf jüdische Bürgerinnen und Bürger, die selbst bzw. deren Eltern 1933 in Wörth gelebt hatten, wurden aus Unterfranken deportiert. Zu ihnen gehören die zwei nach 1933 geborenen Kinder. Sechs weitere Personen ereilte dieses Schicksal an ihren neuen Wohnorten in Deutschland. Von den insgesamt elf Deportierten überlebte niemand. Ein Mann, der als SPD-Stadtrat und NS-Kritiker im März 1933 verhaftet worden war und seit Mai 1933 im KZ Dachau in „Schutzhaft“ gesessen hatte, kam erst im September 1935 wieder frei. Gesundheitlich schwer angeschlagen, starb er im Jahr darauf in Mannheim. Mit ihm hat Wörth am Main also zwölf Opfer der Shoa zu beklagen.

Der Koffer in Wörth am Main erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein zweites Gepäckstück steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.

Informationen zum Standort des Koffers in Wörth folgen zu gegebener Zeit.

Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries

Shoaopfer, die 1933 in Wörth am Main gelebt hatten

Hermann Berliner (1935 – 1942)
Kathinka Berliner, geb. Gernsheimer (1908 – 1942)
Mathel Berliner (1939 – 1942)
Samuel Berliner (1899 – 1942)
Alfred Fernheimer (1871 – 1943)
Babette Fernheimer (1882 – 1942)
Betty Fernheimer, geb. Stern (1883 – 1942)
Sara Fernheimer, geb. Rosenstock (1877 – 1944)
Wilhelm Fernheimer (1879 – 1936)
Sofie Hermanns, geb. Berliner (1859 – 1942)
Gutta Stern, geb. Schwed (1890 – 1942)
Max Stern (1878 – 1942)